Baka

Warum können geflüchtete Menschen nicht einfach in WGs wohnen statt in Massenunterkünften?

Richtig. Es gibt keinen Grund. Dachte sich auch die Plattform Flüchtlinge Willkommen und hilft seit 2014 bei der Vermittlung von privatem Wohnraum – inzwischen in 10 Ländern. Wir haben es alle zuhauf gehört: Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt wäre Deutschland problemlos in der Lage, die momentan ankommenden Geflüchteten aufzunehmen. Die meisten Länder und Kommunen sind jedoch mit der administrativen Bewältigung des gestiegenen Anzahl an Asylanträgen komplett überfordert. In den zuständigen Ämtern stapeln sich unbearbeitete Akten von Asylbewerbern, und am Berliner LAGeSO, das sich „Gesundheit und Soziales“ auf die Fahnen schreibt, wird das absurde, menschenverachtende Spektakel auf die Spitze getrieben. Worte können meine Gedanken dazu kaum ausdrücken. Zugucken ist hier nicht, hier muss angepackt werden. Flüchtlinge Willkommen entwaffnet Kritiker durch ein einfaches, direktes Konzept und fordert zum Nachdenken über den Umgang mit der Situation vor der eigenen Haustür auf. Und erfreulicherweise werden diese von immer mehr Menschen geöffnet, um Geflüchtete willkommen heißen.

„Die Leute wissen kaum etwas über die Situation von Menschen wie mir. Je mehr Fragen du mir stellst, umso besser!“

Im Februar 2015 traf ich mit einer im gegenteil-Kollegin Jonas von Flüchtlinge Willkommen. Sein neuer Mitbewohner Bakary aus Mali war frisch eingezogen und betete, als wir den Flur betraten. Bakary war nach Deutschland geflohen und lebte anfangs lange Zeit auf der Straße. Dass sich daran etwas ändern könnte, glaubte er irgendwann nicht mehr. Er fand es auch komisch, dass ich vorher noch nie mit einem Geflüchteten gesprochen hatte. Ich übrigens auch. Aber es gibt ja immer einen Anfang. Und den machten wir bei Tee und einer Schale geröstetem Mais. Ein Tag, an den ich mich gerne erinnere. Ein Tag, an dem ich noch nicht wusste, dass diese Thematik mich schon bald so intensiv begleiten würde.

„Eine Win-win-Situation für beide Seiten.“

Als ich Mareike vor ein paar Tagen im neuen Flüchtlinge Willkommen-Office im Wedding treffe, ist meine erste Frage gleich: „Und? Wie geht’s Bakary?“ Er sei inzwischen aus der gemeinsamen WG ausgezogen und habe nun seine erste eigene Wohnung in Berlin – in Hipster-Neukölln. Außerdem Aussichten auf einen Job, auch wenn der Ämterwahnsinn nach wie vor regiert. Und er sei in diesem Jahr ein echter Freund geworden. Einer, der die eigenen Eltern kennt, und einer, auf den man stolz sein kann. Sein Deutsch sei inzwischen auch richtig gut geworden, erzählt mir Mareike.

Als das Thema Geflüchtete im September in die Medien rückte, als sich die Lage in Ungarn zuspitzte, als die Neuankömmlinge vor dem LAGeSo immer mehr wurden, stieg auch die Spendenbereitschaft für das Projekt, viele Freiwillige meldeten sich. Zeitgleich schossen die Anfragen – von Refugees und Wohnraumbesitzern gleichermaßen – in die Höhe. Das achtköpfige Team von Flüchtlinge Willkommen wuppt seitdem ganz schön was durch. Was irgendwann mal als Nebenbei-Projekt startete, ist inzwischen mehr als ein Vollzeitjob. Flüchtlinge Willkommen ist bereits in vielen Ländern angelaufen – unter anderem in Italien, Portugal, den Niederlanden, Schweden, Polen, Österreich und bald auch in Übersee. Es haben sich Menschen aus 56 Ländern gemeldet – aus Kenia und Indonesien und jedem Zipfel dieser Erde -, um zu helfen. Das stärkt die Initiatoren. Auf 210 Vermittlungen in Deutschland blicken sie schon stolz zurück. Da ist zum Beispiel Abdi aus Somalia, der nun sogar ein Studium beginnen konnte. Mehr dazu erfahrt ihr in diesem Video. Aber an eine Verschnaufpause ist für das Team jedoch noch lange nicht zu denken.

„Es ist nicht leicht, so viel Geld zu fundraisen, wie wir brauchen.“

Die Arbeit von Flüchtlinge Willkommen ist – bis auf den Förderpreis Advocate Europe – komplett spendenfinanziert. Gerade befindet sich das Projekt in Phase II: Es geht um den internationalen Ausbau und die generelle Weiterentwicklung. Die Webseiten für die neuen Länder müssen gebaut werden, Webhosting und technischer Support gibt es nicht kostenlos. Außerdem enstehen gerade Kooperationen mit Kommunen und Lokalgruppen. An Pressearbeit ist da kaum zu denken. Alles kostet Zeit. Und Geld.

Engagiert euch – das gibt nicht nur viele Karma-Punkte

Ich habe selbst gesehen, wie die Menschen in den Turnhallen und Flughafenhangars unter größtenteils unwürdigen Umständen auf engstem Raum leben. Am LAGeSo hielt ich Planen vor muslimische Frauen, die ihre Babys stillen mussten, am Flughafen Tempelhof gibt es kaum Rückzugsorte. Und nachdem auch ich meine WG für Neuankömmlinge geöffnet habe, weiß ich, wie viel es diesen Menschen bedeutet, nicht nur Kontakt zu uns zu haben, sondern sich in sicheren vier Wänden aufzuhalten. Wie sie kurz mal abschalten können, wie es ihnen Hoffnung gibt, wie sie sich wieder als Mensch und nicht nur als Nummer auf einem Armband begreifen. Und deshalb bin ich eine große Befürworterin, die Willkommenskultur nicht nur auf dem Papier zu unterschreiben, sondern auch zu leben.

#HelpDontHate #DonateDontHate

Mit unserer Spendenaktion #HelpDontHate unterstützen wir insgesamt sechs Vereine, Flüchtlinge Willkommen ist einer davon, weil die unbezahlbare Arbeit von Mareike, Jonas und ihrem Team das ersetzt, was der Staat nicht leisten kann oder will.

Spendet, Leute, spendet für diesen guten Zweck. Auf betterplace findet ihr alle nötigen Infos dazu. Wir freuen uns über jeden Betrag von Herzen.

Wer sich zudem engagieren möchte, kann sein freies Zimmer zur Verfügung stellen, sich als Pate anmelden oder das Team direkt mit Know-How unterstützen. Alle Infos dazu findet ihr auf der Webseite oder bei Facebook.

Flüchtlinge Willkommen – WGs statt Massenunterkünfte

Die Unterbringung von Geflüchteten in Turn- und Traglufthallen oder Containerdörfern im Wald ist unwürdig. Flüchtlinge Willkommen vermittelt Geflüchtete an WGs – und das nicht nur in Deutschland.

Ein Gespräch mit den Gründern Mareike und Jonas und ihrem (ehemaligem) Mitbewohner Bakary anlässlich der Spendenkampagne #HelpDontHate.

Zuerst erschienen auf: www.dailybreadmag.de
Erscheinungsdatum: 23. Dezember 2015